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Generative Vermehrung Teil 2: Bestäubung
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1. Einleitung
Wie vielleicht schon deutlich geworden ist, muss man sich mit der Aussaat von Orchideen etwas beschäftigen, um diese als Laie durchführen zu können. Dies ist wohl der Grund, warum Orchideensamen käuflich kaum zu erwerben sind. Sie werden zwischen Orchideen-Fans getauscht. Fehlen die nötigen Kontakte oder wird Tauschmaterial benötigt, muss man die Samen selbst gewinnen. Der vorliegende Artikel soll dabei eine Hilfestellung sein.
2. Voraussetzungen
Drei Voraussetzungen sollten vor einer Bestäubung erfüllt sein:
- Bei der Pflanze die bestäubt werden soll, muss es sich um eine gesunde, kräftige Pflanze handeln, geschwächten Pflanzen würde der Kraftaufwand weiter schaden.
- Steht nur eine Orchidee zur Verfügung, sollten mindestens zwei Blüten an der Pflanze vorhanden sein.
- Die Blüte die bestäubt werden soll, sollte schon einige Tage voll geöffnet sein, aber nicht kurz vor dem Verblühen stehen.
3. Theorie
Bevor man an der Blüte "Hand anlegt", sollte man sich die relevanten Teile noch einmal genau ansehen, hier am Beispiel der Gattung Zygopetalum:
1 = Petalum
2 = Pollinien (Pollinium) = Die beiden abgebildeten Pollinien (kuglige Pakete verklebte Pollenkörner) sind über einen kleinen Stiel miteinander verbunden. Die Gesamtheit dieser beider Pollinien nennt man Pollinarium
3 = Säule
4 = Schwiele, Kallus
5 = Lippe
6 = Sepalum
7 = Die Narbe ist auf diesem Foto noch etwas von dem Pollinarium verdeckt. Sie liegt grundsätzlich direkt unter dem Pollinarium
Die Antherenkappe ist bei dieser Blüte bereits entfernt worden. Sie ist auf dem Foto weiter unter gut zu erkennen.
Etwas anders gelagert ist der Aufbau im Fall von Paphiopedilum:
1 = Petalum
2 = Pollinarium = fruchtbares Staubblatt
8 = Sepalum = Fahne
9 = Petalum = Schuh
10 = unfruchtbares Staubblatt
Grundsätzlich hat man bei der Bestäubung einer Orchideenblüte vier Möglichkeiten:
- Man verwendet den Pollen einer anderen Blüte der gleichen Pflanze. Diese Art der Bestäubung nennt man Selbstung. Die Nachkommen dieser Bestäubung werden ähnlich aussehen wie die Mutterpflanze, einen Zugewinn des genetischen Material wird man mit dieser Art der Bestäubung aber nicht erreichen, jedoch ist dafür nur eine Pflanze nötig. Man sollte diese Form der Bestäubung aber nur bei Naturformen wählen, bei Hybriden sind die Ergebnisse unbefriedigend. Natürlich kommt es aber etwas drauf an, welche Ziele man mit der Bestäubung verfolgt.
- Man verwendet den Pollen der gleichen Art oder Hybride aber einer anderen Pflanze. Auf diese Weise entstehen stabiler Nachkommen, die Chancen, dass die Bestäubung erfolgreich abläuft, sind höher. Der Nachteil hier: es sind zwei Pflanzen der gleichen Art nötig.
- Man verwendet den Pollen einer bestimmten Art oder Hybride und bestäubt damit die Blüte einer anderen Art oder Hybride der gleichen Gattung. Auf diese Weise entstehen Gattungshybride, z.B. Phalaenopsis Sweet Memory deren Eltern Phalaenopsis bellina x Phalaenopsis Deventeriana sind.
- Man verwendet den Pollen einer Bestimmten Art oder Hybride und bestäubt damit die Blüte einer Art oder Hybride einer anderen Gattung. Auf diese Weise entstehen Zweigattungshybride also Kreuzungen zwischen zwei Pflanzen verschiedener Gattungen z.B. Brassocattleya Maikai deren Eltern Brassavola nodosa x Cattleya skinnerii sind. Vor einer Bestäubung muss man sich aber erkundigen, ob die beiden Gattungen sich miteinander kreuzen lassen. Es müssen bestimmte Ähnlichkeiten zwischen den Gattungen bestehen, damit eine Bestäubung überhaupt möglich ist.
- Sinnlos ist die Bestäubung nur einer Blüte mit sich selber. Viele Orchideenblüten haben einen natürlichen Schutzmechanismus vor dieser Art der Bestäubung, da auf diese Weise meist unfruchtbare Samen oder leere Kapseln entstehen.
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4. Die Praxis
Für die letzten drei der oben beschriebenen Möglichkeiten sind zwei blühende Pflanzen nötig. Diese Pflanzen müssen aber nicht zur gleichen Zeit blühen. Pollinien lassen sich bei -10 bis -20°C einfrieren oder im Kühlschrank aufbewahren. Davor werden sie vor Feuchtigkeit geschützt verpackt, indem sie mehrfach in Alufolie eingewickelt werden. Möglich ist auch die Verpackung in einer gereinigten Filmdose. Blüht ein potenzieller Partner für eine Bestäubung, lassen sich Pollinien einfach wieder auftauen und verwenden.
Der Pollen verbirgt sich hinter der Antherenkappe, diese wird zunächst mit einem Zahnstocher entfernt. Mit dem selben Zahnstocher wird das Pollinarium, also die verbundenen Pollinien, abgenommen. Diese sollten, wie auf dem Foto, goldgelb sein und frisch aussehen. Sind sie dunkel oder sogar schwarz, hat eine Bestäubung keinen Sinn.
Das Foto oben rechts zeigt das entnommene Pollinarium. Dieses Pollinarium kann, je nach Grösse der Narbe, vorsichtig geteilt werden, sodass nur eine Pollinie zum Einsatz kommt oder als gesamtes Packet verwendet werden. Um besser an die Narbe zu gelangen, kann es sinnvoll sein, die Pollinie der Mutterpflanze auch zu entfernen. Oft, aber nicht immer, ist die Narbe mit einer klebrigen, harzähnlichen Flüssigkeit bedeckt, die dafür sorgt, dass der Pollen an der richtigen Stelle kleben bleibt. Die Narbe erkennt man aber auch immer daran, dass sie einen Kanal in Richtung Fruchtknoten bietet.
Mit Hilfe des Zahnstochers wird der Pollen dann auf der Narbe der Mutterpflanze abgesetzt. Gleich danach sollte man sich notieren, welche Orchideen an der Bestäubung beteiligt waren und wann diese stattgefunden hat.
Bei Orchideen mit einem Schuh liegt die Narbe etwas verdeckt. Ansonsten ist auch hier der Pollen auf die Narbe zu bringen.
5. Was passiert danach ?
Der erste Teil, die Bestäubung, ist nun abgeschlossen. Schon bald ergeben sich erste Veränderungen an der bestäubten Blüte. Die Narbe verschliesst und verdickt sich; schon bald verblüht diese.
Der Pollen wandert nun durch den Pollenschlauch in den Fruchtknoten. Wenn alles gut geht, findet innerhalb der nächsten Wochen die Befruchtung statt.
Foto: Gregor
Äußeres Anzeichen ist ein Anschwellen des Fruchtknoten. Nach der Befruchtung entwickeln sich dort über Monate hinweg die Samen. Wie lange die Reifung der Samen dauert, hängt sehr von der verwendeten Art oder Hybride ab. Zeiträume zwischen 2 und 9 Monaten sind üblich.
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Weiter zu Teil 3: Aussaat ohne sterile Werkbank
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